Update VI: Wedekindstraße – Oberbürgermeister Schostok antwortet auf offenen Brief

In einem offenen Brief hat Initiator Herr Gerd Reincke und zahlreiche, weitere Bürger*innen, Vereine und Initiativen, die sich für eine moderne und sichere Radinfrastruktur in Hannover einsetzen, den Oberbürgermeister Stefan Schostok am 20.09.2017 gebeten, baulich gesicherte Radwege bei der Neuplanung der Wedekindstraße in der List anlegen zu lassen. Bisher sind lediglich rot eingefärbte „Schutzstreifen“ vorgesehen. Hier der Brief an unseren Oberbürgermeister  im Wortlaut.

Die Kernaussage des offenen Briefes war:

„Der wichtigste Aspekt, um in der Großstadt das Fahrrad zu benutzen, wird [in der Wedekindstraße] nicht berücksichtigt: eine ausreichende Sicherheit für die Radfahrer ist nicht gewährleistet.“

Am 23.10.2017 hat der Oberbürgermeister mit einem ausführlichen Schreiben geantwortet, vielen Dank dafür! Nach Rücksprache mit Herrn Reincke veröffentlichen wir hier auf dem Blog die Antwort (in Fettschrift) und kommentieren (kursiv) diese:

Umbau und Rekonstruktion der Wedekindstraße

Sehr geehrter Herr Reincke,

haben Sie Dank für Ihr Schreiben vom 20.09.2017 zu den Straßenbauplanungen für die Wedekindstraße.

Sie vertreten darin die Auffassung, die Radverkehrsführung in der Wedekindstraße sei in der abgestimmten Planung nicht ausreichend sicher für den Radverkehr. Die Verwaltung vertritt die Auffassung, dass die Radverkehrsführung auf einem Schutzstreifen eine sichere und komfortable Lösung insbesondere für die Radfahrer darstellt. Dies lässt sich nachfolgend mit den stichpunktartig aufgeführten Argumenten begründen:

(1) Der Radfahrer fährt in Längsrichtung auf einem fahrbahnbegleitenden Schutzstreifen im unmittelbaren Sichtfeld des Kfz-Verkehrs mit und wird besonders in Knotenpunktbereichen rechtzeitig wahrgenommen.

Kommentar zu (1)

  • Wie im folgenden Video zu sehen ist, muss der Sicherheitsabstand zu den parkenden Autos 1,50 m (5 ft) betragen. Bei einer Breite des Schutzstreifens von 2,00 m bleiben also nur 50 cm als sichere Zone (Safe Zone). Wohlgemerkt zwischen sich öffnender Autotür auf der rechten Seite und einem gerade überholenden 20 t-LKW oder Bus auf der linken Seite. Na, mal gucken, welche Eltern ihre elfjährigen Kinder da alleine fahren lassen oder welche Senior*innen sich dort aufs Rad trauen?

  • Sicherheit in Kreuzungsbereichen wird in Norwegen und sogar in einigen Staaten der USA (siehe die folgende Abbildung)  durch den Entfall von Parkplätzen und intelligente bauliche Lösungen gewährleistet sichergestellt. Weiterführende Infos über Kreuzungsdesign in Oslo und in den USA.

(2) Der ermittelte Anteil des Schwerverkehrs ist mit 5 % wesentlich geringer als der in Ihrem Schreiben angegebene Anteil von 10 %. Die ermittelten Verkehrsmengen lassen nach den Planungsregelwerken die Anlage von Schutzstreifen zu.

Kommentar zu (2)

  •  Allein der Begriff Schwerverkehr steht schon eklatant im Widerspruch zu sicherer Radinfrastruktur. Die Gefahr auch nur eines Unfalls mit einem Bus oder LKW reicht aus, um Radfahrer*innen einen Umweg nehmen zu lassen. Auf Protected Bike Lanes, baulich getrennten Radwegen, gibt es keinerlei Begegnungen dieser „unheimlichen“ Art! Das folgende Bild sagt eigentlich alles! Quelle: Daniel@SecretCoAuthor

hannovercyclechic radwege in d und h und usa quelle daniel pöhler

(3) Die Möglichkeit einer Führung des Radverkehrs auf Schutzstreifen hängt neben den Verkehrsmengen auch von den Geschwindigkeiten des Kfz-Verkehrs ab, wobei hier die tatsächlich ermittelten Geschwindigkeiten (V85=40 km/h) und nicht die zulässigen Geschwindigkeiten den Beurteilungsmaßstab bilden.

Kommentar zu (3)

  • Erstens: Es ist für Radfahrer*innen in jedem Falle mehr als unangenehm mit zu geringem Seitenabstand, egal mit 40 oder 50 km/h, überholt zu werden.
  • Zweitens: Nur weil im Mittel 40 km/h gefahren wird, heißt es nicht, dass einzelne Fahrzeuge nicht doch mit stark überhöhter Geschwindigkeit unterwegs sind.
  • Drittens: Bei der Neuplanung fehlen bauliche Mittel zur Temporeduzierung des motorisierten Verkehrs, wie Aufpflasterungen, Fahrbahnverengungen, Verkehrsinseln etc., völlig. Wie wichtig die Temporeduzierung ist, zeigt das folgende Bild.

hannovercyclechic tempo 30 vs 50

(4) Der im vorliegenden Brief dargestellte Regelquerschnitt bezieht sich nicht auf die empfohlenen Mindestbreiten. Der reine Fahrbahnbereich wurde mit einer geplanten Breite von 5,00 m (und damit oberhalb der Mindestbreite von 4,50 m) geplant, um im Begegnungsfall des Kfz-Verkehrs die Notwendigkeit der Mitbenutzung des Schutzstreifens zu reduzieren.

Kommentar zu (4)

  • Die für sicheren Radverkehr erforderliche Breite einer Fahrspur beträgt 5,80m wie die folgende Abbildung zeigt.

Quelle: Radkompetenz Österreich

  • Clever ist es außerdem aus mehreren Gründen, den Radweg auf der Beifahrerseite der parkenden Fahrzeuge anzulegen. Die Beifahrertür öffnet sich wesentlich seltener, die parkenden Fahrzeuge schützen die Radverkehr vor dem fließenden, motorisierten Verkehr und Radfahrer*innen können viel einfacher Hauseingänge bzw. Geschäfte erreichen. Wie die folgende Abbildung zeigt können auf beiden Seiten der Wedekindstraße probemlos getrennte Radwege angelegt werden, wenn wir nur wollen. Quelle Abbildung: HC Edelmann@hce25 

(5) Auch die fahrbahnbegleitenden Schutzstreifen wurden mit einer erhöhten Breite von 2 m vorgesehen, um dem Radverkehr einen ausreichenden Bewegungsraum auch im Hinblick auf sich öffnende Türen im Bereich der Stellplätze bieten zu können.

Kommentar zu (5)

  • Selbst die vorgesehene Breite von 2,00 m verhilft nicht zu subjektiver (gefühlter) und objektiver (tatsächlicher) Sicherheit, wenn keine baulichen Mittel das Zuparken der „Schutzstreifen“ verhindern und Schulkinder und Senior*innen auf dei fahrbahn ausweichen müssen. An der Falkenstraße bzw. Egestorffstraße in Linden-Mitte werden Pakete, Gerränkekisten und selbst Klaviere auf den ungeschützten „Schutzstreifen“ ausgeladen.
  • Die Aussage vieler Fahrzeughalterin*innen „Ich hol nur kurz Brötchen!“ ist Hohn in den Ohren der Eltern, die sich wünschen, Ihre Kinder mit dem Rad zur Schule fahren lassen zu können. Ein Radaktivist aus Köln regte es dazu an, sein Lastenrad mit eben solch einem Spruch auf der Fahrbahn neben dem „Schutzstreifen“  zu parken. Er hätte ja ansonsten die übrigen Radfahrer*innen blockiert. 😉

Diese Argumente führen letztendlich im Ergebnis zu der vorliegenden regelkonformen Planung. Ein Vergleich insbesondere mit der Ausführung des Schutzstreifens in der Königstraße kann nicht gezogen werden, da sich dort die Breiten sowohl der Schutzstreifen als auch der Fahrbahn an den Mindestmaßen orientieren und deutlich schmaler als in der Planung der Wedekindstraße ausfallen.

Die vorliegende Planung mit fahrbahnbegleitenden Schutzstreifen bietet neben einem guten Angebot für den Radverkehr, Möglichkeiten einer Neugliederung des Straßenraumes mit einem beidseitigen kombinierten Park-/Baumstreifen (6) sowie komfortablen und vor allem auch barrierefreien Gehwegen, Bushaltestellen und Überquerungsstellen an Lichtsignalanlagen. Die Planungen sind insgesamt ausgewogen und berücksichtigen die Ansprüche aller Nutzergruppen an eine zeitgemäße Straßenraumgestaltung.

Nach den intensiven Diskussionen der vergangenen Monate zu den städtebaulichen Entwicklungsmöglichkeiten und –grenzen des Wedekindplatzes, hat die Verwaltung in Abstimmung mit den beiden beteiligten Bezirksräten und der Interessengemeinschaft Wedekindstraße/Wedekindplatz die Planungen für den Platz vorerst eingestellt.

Mit freundlichen Grüßen

Stefan Schostok

Kommentar zu (6)

  • Zur Zeit sind nur auf einer Seite der Wedekindstraße Längsparkplätze vorhanden, was die Möglichkeit bietet, ohne die sog. Dooring-Gefahr sicher Rad zu fahren. In der Planung der Stadt sollen zulasten der Radverkehrssicherheit auf beiden Straßenseiten Fahrzeuge geparkt werden können, wie das folgende Bild zeigt und wir bereits in diesem Blogbeitrag beschrieben haben. Die B.I.U. zeigt in ihrer Skizze auf, wie die Aufteilung zugunsten des sicheren, schnellen und komfortablen radverkehrs und auch des besseren Flusses des motorisierten Verkehrs angeleget werden könnte.

Der Vorschlag der Stadt Hannover, Quelle: B.I.U.

Der Vorschlag der B.I.U., Quelle: B.I.U.

Modern und zeitgemäß ist was anderes, siehe z. B. die hier beschriebene Vorgehensweise in Basel.

Die Grafik ist dem Beitrag „So entkommt die Südstadt dem Parkdruck“ entnommen, der auf www.uebermorgen.haz.de erschienen ist. Diese Plattform der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung und der Sparkasse Hannover beschäftigt sich vielschichtig und sachlich mit der Mobilität, die moderne, erfolgreiche Städte auszeichnet.

Genug der Worte, lasst Taten folgen und mischt Euch ein, Eure hannovercyclechic-eria…

Nachtrag:

…zum Beispiel in den Bezirksräten dieser Stadt, die auch viele Verkehrsthemen behandeln.

In der Karte auf dieser Seite könnt Ihr Euren Bezirk anklicken und die Termine und Inhalte aller Stadtbezirksratssitzungen ansehen. Dank an HC Edelmann@hce25 für die Infos.

Der Termin und die Themen der nächsten Sitzung in Hannover-Mitte sind:

https://e-government.hannover-stadt.de/lhhsimwebre.nsf/TM/20171113_STBR01

Sitzungsdatum: 13.11.2017
Tagungsort: Rathaus, Gobelinsaal
Beginn: 18:30 Uhr

7.1.1. Raser in Hannover (Drucks. Nr. 15-2502/2017)
https://e-government.hannover-stadt.de/lhhsimwebre.nsf/DS/15-2502-2017

7.1.2. Anhörung zu öffentlichem Fahrradverleihsystem (Drucks. Nr.
15-2503/2017)
https://e-government.hannover-stadt.de/lhhsimwebre.nsf/DS/15-2503-2017

7.1.3. Zebrastreifen (Drucks. Nr. 15-2611/2017)
https://e-government.hannover-stadt.de/lhhsimwebre.nsf/DS/15-2611-2017

7.1.5. Optimierung der Verkehrsführung an der Einmündung der
Prinzenstraße in den Schiffgraben (Drucks. Nr. 15-2613/2017)
https://e-government.hannover-stadt.de/lhhsimwebre.nsf/DS/15-2613-2017

7.3.2. Führung des Radweges Lister Meile/Hamburger Allee (Drucks. Nr.
15-2625/2017)
https://e-government.hannover-stadt.de/lhhsimwebre.nsf/DS/15-2625-2017

8.3.1. Fußabstellbügel an Radwegen (Drucks. Nr. 15-2622/2017)
https://e-government.hannover-stadt.de/lhhsimwebre.nsf/DS/15-2622-2017

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