Ja, woanders geht es doch! Ich bin bereits Teilstücke der Radschnellwege in NRW, z. B. den www.rs1.ruhr gefahren. Ein Traum – ich erlebe sie als allerbeste Werbung für das Radfahren. So bringt man Bürger auf das Rad! Die Zahlen belegen dieses und selbst der Bund fördert solche Maßnahmen fast zu 100 %!
Die in Deutschland bereits fertig gestellten Radschnellwege bilden fast holländische Verhältnisse ab – also fast natürlich nur, denn in Holland und anderen Regionen ist so etwas eben vielerorts eher der gängige Standard. Die Ausgaben für die Erweiterung des bereits vorhandenen Radschnellwege-Netzes um Amsterdam herum zeigt die folgende Grafik:
Quelle: www.nhnieuws.nl/nieuws/222043/Gemeenten-gaan-investeren-in-snelfietspaden-om-Amsterdam-bereikbaar-te-houden)
Nicht so mit den Radschnellwegen in der Region Hannover.
Hier wird es entgegen aller Wahlversprechen auf absehbare Zeit wohl nur ein Alibi-Teilstück eines einzelnen Radschnellweges, nämlich des bereits seit vielen Jahren projektierten Radschnellweges Hannover – Lehrte, geben.
Ein Vergleich der Entfernung Hannover – Lehrte und Amsterdam – Haarlem zeigt wie selbstverständlich in den Niederlanden die Förderung des (E-) Radverkehrs vorangetrieben wird. Die Strecke Amsterdam -Haarlem ist nur eine von vielen Verbindungsrouten der Städte in der Metropolregion Amsterdam.
Dank der Stadt Hannover und auch der Region Hannover wird an dem Teilstück Hannover-Anderten aber bereits gebaut. Das ist aus meiner Sicht eine sehr mutige aber absolut richtige Entscheidung! Als Teilstück verliert der Radschnellweg zwar seinen ursprünglich intendierten Bestimmungszweck und gefährdet damit eigentlich auch seine Fördermöglichkeit, es ist aber endlich mal ein Anfang gemacht, der jetzt auch von allen Seiten mitgetragen wird.
Allerdings wird auch dieses Teilstück nicht durchgängig die gängigen Standards für Radschnellwege erfüllen.
Radschnellwege müssen sich als Premiumprodukt an klar definierten Qualitätskriterien orientieren. Dazu gehören u. a.:
- Durchgängige Trennung zwischen Rad-und Fußgängerverkehr
- bei baulichen Radwegen eine Mindestbreite von vier Metern
- wenig Steigungen
- eine Wegweisung durch NRW-Standards
- innerorts Beleuchtung
- geregelter Winterdienst und Reinigung.
Werden die Kriterien nicht eingehalten, so handelt es sich um keinen Radschnellweg. Abweichungen von den Qualitätsstandards, sind auf kurzen Abschnitten jedoch zulässig.
Dabei handelt es sich gerade bei den Radschnellwegen eigentlich nur um eine erste Maßnahme zur etwas gleichberechtigteren Teilhabe Radfahrender am Verkehr.
Für das Schnellstraßen- und Autobahnnetz des Kfz.-Verkehrs wurden ja tiefe und zum Teil kaum überwindbare Schneisen in das Stadtbild von Hannover geschlagen sowie wahnsinnige Brückenbauwerke erschaffen, die zum Teil bereits jetzt mit erheblichem Aufwand saniert werden müssen und dabei unvorstellbare Summen verschlingen. Der gerade im Bau befindliche Radschnellwegabschnitt nutzt dagegen überwiegend vorhandene Flächen, hat eher menschliche Maße und schlingert sich irgendwie durch den baulichen Bestand hindurch – eben typisch Radverkehr.
Anders in einer weiteren Vorzeigeregion des Radverkehrs: Kopenhagen! Aufsteigen, anschnallen, mitfahren:
Leider ist aber selbst eine übergreifende Anbindung des Teilstückes an ein wirklich durchgeplantes Netz von Alltagsradwegen oder Fahrradstraßen bisher noch Zukunftsmusik.
Auch die eigentlich projektierte Weiterführung des Radschnellweges bis Lehrte wird seitens der Stadt Lehrte vehement abgelehnt!
Hier der Link zu den gesammelten Artikeln in der HAZ zum Thema Radschnellweg Hannover-Lehrte.
Dabei wäre die Fördermöglichkeit durch den Bund hier gesichert und die Strecke im Gebiet der Stadt Lehrte in weiten Teilen bereits als Wasser gebundene Decke oder als asphaltierter Feldweg vorhanden. Es bestünden also eigentlich allerbeste Voraussetzungen für eine schnelle und auch kostengünstige Umsetzung der Planung.
Auch der Bedarf ist – wie in der Projektierung zweifelsfrei belegt – hier auf einer passenden Pendlerstrecke sogar im besonderen Maße gegeben. Ferner besteht bisher nicht einmal eine einzige halbwegs sichere und witterungsunabhängige Radwegeverbindung von Lehrte nach Hannover.
In Göttingen ist ein sogenannter eRadschnellweg bereits 2015 fertig gestellt worden, der aber wie zu erwarten war mit der holländischen oder dänischen Qualität nicht mithalten kann, wie der Film von Bert Ungerer aka als Radpolitik auf Twitter.
Das sieht wohl auch die Region Hannover so und hat der Stadt Lehrte deshalb verschiedene Angebote gemacht, um den Radschnellweg doch noch auf dem Gebiet der Stadt Lehrte fortführen zu können.
Die Stadt Lehrte will aber einfach nicht!
Die Ablehnung der Stadt Lehrte ist dabei weitgehend unbegründet. Sie ist rein politisch motiviert! Die Stadt Lehrte versucht sich offensichtlich lieber als Logistikstandort zu vermarken und fördert dafür gezielt den Lkw-Verkehr. Radfahrende stören da natürlich nur den Verkehrsablauf. Anstatt eines Radschnellweges möchte die Stadt Lehrte angeblich erst einmal ihr eigenes marodes Radwegenetz sanieren – eine reine Schutzbehauptung, denn genau dieses passiert eben nicht. Da hilft es auch wenig, wenn selbst das Verwaltungsgericht der ehemals sogar als besonders radfahrerfreundlich ausgezeichneten Stadt Lehrte faktisch bescheinigt, dass sie mit ihren Radverkerhsanlagen bewusst außerhalb von Recht und Ordnung agiert und Radfahrende gefährdet. Die Stadt Lehrte will einfach nicht!
Es stört die rot-grün regierte Stadt Lehrte auch nicht, dass sie mit ihrer Haltung sowohl die Stadt Hannover als auch die ihr u.a. als Fachaufsichtsbehörde übergeordnete Region Hannover brüskiert. Eine wirkliche Lobby haben Radfahrende in der Stadt Lehrte jedenfalls offensichtlich nicht mehr. Da wäre es zu wünschen, wenn passende Radschnellwegstrecken nicht nur durch den Bund massiv gefördert, sondern einfach in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen werden würden.
Text: Gunter Nootny (mit Ergänzungen der #hannovercyclechic-eria)
P. S. Wer Gastbeiträge zu den Themen Fuß- und Radverkehr und im weitesten Sinne zu „Lebenswerte Stadt“ auf unserem Blog schreiben möchte, kann gerne eine Mail an hannovercyclechic@gmx.de schreiben.
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